
Entgegen der verbreiteten Panikmache sind Sulfate nicht per se „schlecht“, sondern hochwirksame Reinigungsmittel, deren Eignung von Ihrem individuellen Haartyp, Ihrer Kopfhaut und sogar der Wasserhärte an Ihrem Wohnort abhängt.
- Sulfatfreie Shampoos sind ideal für empfindliche, trockene Kopfhaut und zur Schonung von gefärbtem oder mit Keratin behandeltem Haar.
- Die „fettige Übergangsphase“ ist eine normale Reaktion der Kopfhaut, die ihre Talgproduktion neu reguliert und meist nach 2-4 Wochen endet.
- In bestimmten Fällen, wie bei starkem Produkt-„Build-up“ oder sehr hartem Wasser, ist ein sulfathaltiges Tiefenreinigungs-Shampoo die effektivste Lösung.
Empfehlung: Analysieren Sie Ihren Haarzustand und Ihre Waschroutine objektiv, anstatt Trends zu folgen. Dieser Artikel gibt Ihnen das chemische Rüstzeug, um eine fundierte, für Sie passende Entscheidung zu treffen.
Die Debatte um Sulfate in Shampoos gleicht oft einem Glaubenskrieg. Auf der einen Seite warnen unzählige Blogs und Influencer vor aggressiven Chemikalien, die Haar und Kopfhaut ruinieren. Auf der anderen Seite verteidigen Dermatologen und Friseure sie als unverzichtbare Reinigungswirkstoffe. Als unabhängiger Kosmetikchemiker beobachte ich diese Diskussion mit Faszination und einer gewissen Sorge, denn die Wahrheit liegt, wie so oft in der Wissenschaft, nicht im Schwarz-Weiß, sondern in den gut begründeten Nuancen. Die pauschale Verteufelung von Inhaltsstoffen führt selten zu einer besseren Pflegeroutine – das Verständnis ihrer Funktionsweise hingegen schon.
Die Frage ist also nicht, ob Sulfate „gut“ oder „böse“ sind. Die richtige Frage lautet: Welche Art von Tensid – ob sulfathaltig oder nicht – erfüllt die spezifischen Anforderungen meines Haares und meiner Kopfhaut am besten? Viele Anwender sind nach dem Umstieg frustriert, weil ihr Haar sich nicht sauber anfühlt oder plötzlich schneller fettet. Das liegt selten am Produkt selbst, sondern an einem fehlenden Verständnis für die veränderte Wirkungsweise und die notwendige Anpassung der Anwendungstechnik. Es geht darum, die chemischen Werkzeuge in Ihrer Shampooflasche zu verstehen.
Dieser Artikel wird Sie aus der Verunsicherung führen. Wir werden die chemische Realität hinter dem „Schaum-Schock“ beleuchten und erklären, was Sulfate wirklich auf molekularer Ebene tun. Wir geben Ihnen eine wissenschaftlich fundierte Anleitung, um die berüchtigte Übergangsphase zu meistern, und decken den häufigsten Anwendungsfehler auf, der zu mangelnden Reinigungsergebnissen führt. Am Ende werden Sie nicht nur wissen, ob ein Umstieg für Sie sinnvoll ist, sondern auch, in welchen konkreten Situationen die bewusste Rückkehr zu einem sulfathaltigen Shampoo die Rettung für Ihr Haar sein kann.
Um Ihnen eine klare Orientierung in diesem komplexen Thema zu geben, haben wir diesen Artikel in logische Abschnitte gegliedert. Der folgende Überblick führt Sie durch die wichtigsten Aspekte der Sulfat-Debatte, von der Grundlagenforschung bis hin zu ganz praktischen Anwendungstipps.
Inhaltsübersicht: Ihr Weg zur fundierten Shampoo-Entscheidung
- Schaum-Schock: Was Sulfate wirklich mit Ihrer Kopfhaut anstellen
- Die fettige Übergangsphase: So überstehen Sie die ersten 4 Wochen ohne Sulfate
- Ihr Haar wird nicht sauber? Der häufigste Anwendungsfehler bei sulfatfreien Shampoos
- Zuckertensid oder Kokostensid: Welches milde Shampoo das richtige für Ihr Haar ist
- Die Rückkehr der Sulfate: In diesen 3 Fällen ist ein Tiefenreinigungs-Shampoo die Rettung
- Die Silikon-Wahrheit: Warum dieser „böse“ Inhaltsstoff bei Hitzeschutz Ihr bester Freund ist
- Der Sonntags-Reset: Eine wöchentliche Detox-Routine für stadtgestresstes Haar
- Die Brandmauer für Ihr Haar: Warum Hitzeschutz keine Option, sondern eine Pflicht ist
Schaum-Schock: Was Sulfate wirklich mit Ihrer Kopfhaut anstellen
Um die Aufregung um Sulfate zu verstehen, müssen wir ihre chemische Funktion betrachten. Sulfate wie Sodium Lauryl Sulfate (SLS) oder Sodium Laureth Sulfate (SLES) gehören zur Klasse der anionischen Tenside. Ihre Hauptaufgabe ist es, als hochwirksame Emulgatoren zu agieren: Sie verbinden Wasser mit Öl und Schmutzpartikeln, sodass diese einfach ausgespült werden können. Der reichliche Schaum, den sie produzieren, ist dabei psychologisch wirksam, aber chemisch gesehen nur ein Nebenprodukt. Das Problem ist nicht ihre Reinigungswirkung an sich, sondern ihre Effizienz. Sie unterscheiden nicht zwischen überschüssigem Talg und den natürlichen Lipiden, die unsere Kopfhautbarriere schützen.
Bei Menschen mit empfindlicher, trockener oder zu Ekzemen neigender Haut kann diese intensive Entfettung die Schutzbarriere stören. Die Folge sind Rötungen, Juckreiz und ein Spannungsgefühl. Auch für coloriertes Haar sind sie eine Herausforderung, da sie die Haarstruktur leicht aufrauen und so die eingelagerten Farbpigmente schneller auswaschen. Verschärft wird dieser Effekt durch hartes Wasser. Eine Studie der Universität von Nottingham bestätigt, dass eine hohe Wasserhärte Hautprobleme wie Ekzeme begünstigen kann. Da laut aktuellen Daten deutscher Wasserversorger rund 40% der Gebäude in Deutschland mit hartem Leitungswasser versorgt werden, ist dies ein relevanter Faktor. Die Mineralien im harten Wasser (Kalk) können mit den Tensiden reagieren und schwer lösliche Rückstände (Kalkseife) auf Haar und Kopfhaut bilden, was wiederum eine stärkere Reinigungsleistung erfordert und den Teufelskreis verstärkt.
Die fettige Übergangsphase: So überstehen Sie die ersten 4 Wochen ohne Sulfate
Eines der frustrierendsten Phänomene beim Wechsel zu sulfatfreien Shampoos ist die sogenannte „fettige Übergangsphase“. Viele geben hier auf, weil sie glauben, das neue Produkt würde ihr Haar nicht richtig reinigen. Dahinter steckt jedoch ein einfacher biologischer Anpassungsprozess: die Wiederherstellung der Sebum-Homöostase. Ihre Kopfhaut war jahrelang daran gewöhnt, durch aggressive Sulfate stark entfettet zu werden, und hat mit einer Überproduktion von Talg (Sebum) reagiert, um den Lipidverlust auszugleichen. Wenn Sie nun auf ein milderes Tensid umsteigen, läuft diese Überproduktion zunächst weiter, obwohl die starke Entfettung ausbleibt. Das Resultat: Das Haar wirkt strähnig und fettet schneller nach.
Diese Phase ist normal und dauert in der Regel zwei bis vier Wochen, bis Ihre Talgdrüsen ihre Aktivität herunterreguliert haben. Geduld ist hier der Schlüssel, aber Sie können den Prozess aktiv unterstützen. Statt täglichem Waschen, das die Talgdrüsen erneut stimulieren kann, versuchen Sie, die Waschabstände schrittweise zu verlängern. Trockenshampoo kann dabei ein wertvoller Helfer sein. Eine entscheidende Rolle spielt auch die richtige Anwendungstechnik, die wir im nächsten Abschnitt detailliert betrachten. Die folgenden Tipps erleichtern Ihnen den Start.
Ihr 5-Punkte-Plan für den erfolgreichen Umstieg
- Ausgangslage analysieren: Bestimmen Sie Ihren aktuellen Haarzustand. Ist Ihr Haar coloriert, trocken, fettig? Wie empfindlich ist Ihre Kopfhaut? Dies definiert Ihr Ziel.
- Produktwahl treffen: Sammeln Sie Informationen über milde Tenside (z.B. Glucoside, Glutamate) und wählen Sie ein Shampoo, das zu Ihrer Analyse aus Schritt 1 passt.
- Anwendungstechnik anpassen: Üben Sie die richtige Methode für sulfatfreie Shampoos: Haar tropfnass machen, Shampoo zuerst in den Händen aufemulgieren, gründlich in die Kopfhaut einmassieren und bei Bedarf zweimal waschen.
- Geduld beweisen: Führen Sie ein kurzes Tagebuch über den Zustand Ihrer Haare. Beobachten Sie die Veränderungen über 4 Wochen, ohne voreilige Schlüsse zu ziehen.
- Routine optimieren: Bewerten Sie nach der Übergangsphase das Ergebnis. Ist das Haar sauber und die Kopfhaut beruhigt? Passen Sie eventuell die Waschfrequenz oder die Produktmenge an.

Diese visuelle Darstellung illustriert, wie sich Haar und Kopfhaut schrittweise an die neue, sanftere Pflege anpassen. Der Schlüssel liegt darin, diesen Prozess als eine Investition in die langfristige Gesundheit Ihrer Kopfhaut zu sehen und nicht als ein Versagen des neuen Produkts.
Ihr Haar wird nicht sauber? Der häufigste Anwendungsfehler bei sulfatfreien Shampoos
Das Gefühl von „nicht richtig sauberem“ Haar ist die häufigste Klage nach dem Wechsel. Dies liegt fast immer an der Erwartungshaltung, die von konventionellen Shampoos geprägt ist. Wir sind darauf konditioniert, reichlichen Schaum mit effektiver Reinigung gleichzusetzen. Fakt ist jedoch: Sulfatfreie Shampoos schäumen deutlich weniger. Die milderen Tenside, die sie verwenden, haben eine andere Molekülstruktur, die weniger Schaumbildung erzeugt. Die Reinigungsleistung ist dennoch vorhanden, sie muss nur anders aktiviert werden.
Der häufigste Anwendungsfehler ist, das Shampoo direkt auf das halbtrockene Haar aufzutragen und eine sofortige Schaumexplosion zu erwarten. So funktioniert es nicht. Die korrekte Methode erfordert etwas mehr Sorgfalt:
- Haar vollständig durchnässen: Stellen Sie sicher, dass Ihr Haar von den Wurzeln bis zu den Spitzen tropfnass ist. Wasser ist der wichtigste Aktivator für jedes Shampoo.
- Shampoo in den Händen aufemulgieren: Geben Sie eine kleine Menge Shampoo in Ihre Handflächen und verreiben Sie es mit etwas Wasser, bis ein leichter Schaum entsteht. Erst dann verteilen Sie es auf der Kopfhaut.
- Auf die Kopfhaut konzentrieren: Massieren Sie das Produkt gezielt und gründlich mit den Fingerspitzen in die Kopfhaut ein. Hier sammeln sich der meiste Talg und die meisten Rückstände. Die Längen werden beim Ausspülen ausreichend gereinigt.
- Bei Bedarf zweimal waschen (Double Cleansing): Insbesondere wenn Sie viele Stylingprodukte verwenden oder die Haare nicht täglich waschen, ist eine zweite Haarwäsche sinnvoll. Der erste Durchgang löst den groben Schmutz, der zweite sorgt für die Tiefenreinigung und Pflege. Sie werden bemerken, dass das Shampoo beim zweiten Mal deutlich besser schäumt.
Der Unterschied in der Reinigungskraft und Hautverträglichkeit lässt sich chemisch erklären, wie die folgende Tabelle zeigt. Milde Zuckertenside reinigen sanfter, was eine angepasste Anwendung erfordert, aber die Kopfhaut schont.
| Tensid-Art | Reinigungskraft | Hautverträglichkeit | Herkunft |
|---|---|---|---|
| Sodium Lauryl Sulfate (SLS) | Sehr stark | Potenziell reizend | Synthetisch |
| Sodium Coco Sulfate | Stark | Mittel reizend | Kokosöl-basiert |
| Coco Glucoside | Mild | Sehr gut verträglich | Zucker/Kokos |
| Decyl Glucoside | Mild | Sehr gut verträglich | Pflanzlich |
Zuckertensid oder Kokostensid: Welches milde Shampoo das richtige für Ihr Haar ist
Wenn Sie sich für den sulfatfreien Weg entscheiden, betreten Sie die vielfältige Welt der milden Tenside. Doch auch hier gibt es wichtige Unterschiede. Die gängigsten Alternativen lassen sich anhand ihrer Namen auf der INCI-Liste (Inhaltsstoffliste) identifizieren. Zu den beliebtesten und sanftesten gehören zuckerbasierte Tenside, die Sie am Namensbestandteil „Glucoside“ erkennen (z.B. Coco Glucoside, Decyl Glucoside). Sie werden aus pflanzlichen Rohstoffen wie Kokosöl und Zucker gewonnen und sind für ihre exzellente Hautverträglichkeit und biologische Abbaubarkeit bekannt. Sie reinigen sehr sanft und sind daher die erste Wahl für extrem empfindliche Kopfhaut und trockenes, strapaziertes Haar.
Eine weitere milde Gruppe sind aminosäurebasierte Tenside, die oft das Wort „Glutamate“ im Namen tragen (z.B. Disodium Cocoyl Glutamate). Sie erzeugen einen cremigen Schaum und hinterlassen ein sehr gepflegtes Haargefühl. Doch Vorsicht ist beim Begriff „Kokostensid“ geboten. Er wird oft als Synonym für „mild“ missverstanden. Sodium Coco Sulfate (SCS) wird zwar aus Kokosöl gewonnen, ist aber chemisch gesehen eine Mischung verschiedener Sulfate und in seiner Struktur dem reinen SLS sehr ähnlich. Es hat eine starke Reinigungskraft und gilt ebenfalls als potenziell hautreizend. Naturkosmetik-Marken, die beispielsweise nach dem in Deutschland verbreiteten BDIH-Standard zertifiziert sind, dürfen keine Sulfate wie SLS, SLES oder SCS verwenden und greifen daher oft auf die milderen Zuckertenside zurück. Ein Blick auf die genaue INCI-Bezeichnung ist also unerlässlich, um nicht von „natürlichem“ Marketing in die Irre geführt zu werden.
Die Rückkehr der Sulfate: In diesen 3 Fällen ist ein Tiefenreinigungs-Shampoo die Rettung
Ein undogmatischer Ansatz bedeutet auch, die Stärken jedes Inhaltsstoffes anzuerkennen. So ketzerisch es klingen mag: Es gibt Situationen, in denen die kraftvolle Reinigungsleistung eines sulfathaltigen Shampoos nicht nur sinnvoll, sondern die Rettung für Ihr Haar ist. Ein sogenanntes Tiefenreinigungs-Shampoo (auch Clarifying oder Chelating Shampoo genannt) sollte als wöchentliches oder monatliches „Reset“-Werkzeug in jedem Badezimmer stehen, insbesondere in Deutschland mit seiner oft hohen Wasserhärte.
Hier sind drei Szenarien, in denen eine gezielte Sulfat-Anwendung absolut empfehlenswert ist:
- Bei starkem Mineralien-Build-up durch hartes Wasser: Leben Sie in einer Region mit sehr hartem Wasser, lagern sich unweigerlich Kalk und andere Mineralien auf Ihrem Haar ab. Das Haar wird stumpf, spröde und schwer frisierbar. Ein chelatisierendes Tiefenreinigungsshampoo kann diese Mineralien binden und auswaschen. Eine aktuelle Auswertung zeigt, dass der Ort mit dem härtesten Wasser Deutschlands, Schloßkulm in Thüringen, den Grenzwert für hartes Wasser um mehr als das Dreifache übersteigt. In solchen Extremfällen ist eine regelmäßige Tiefenreinigung unerlässlich.
- Nach intensiver Nutzung von Stylingprodukten: Silikone, Wachse und Polymere aus Haarsprays, Gelen oder Hitzeschutzprodukten können einen Film auf dem Haar bilden (Build-up), der es beschwert und die Aufnahme von Pflege erschwert. Milde Tenside sind oft zu schwach, um diesen Film effektiv zu entfernen.
- Vor chemischen Behandlungen: Um ein gleichmäßiges Ergebnis beim Färben, Tönen oder bei einer Dauerwelle zu erzielen, muss das Haar absolut frei von Rückständen sein. Eine einmalige Anwendung eines Tiefenreinigungs-Shampoos vor dem Friseurbesuch schafft die perfekte Grundlage.
Die Silikon-Wahrheit: Warum dieser „böse“ Inhaltsstoff bei Hitzeschutz Ihr bester Freund ist
Ähnlich wie Sulfate haben auch Silikone einen schlechten Ruf. Sie stehen im Verdacht, das Haar zu „versiegeln“, zu beschweren und die Poren zu verstopfen. Diese Kritik ist nicht gänzlich unbegründet, wie auch Experten von Naturkosmetik-Marken bestätigen. Lavera Naturkosmetik schreibt dazu auf seiner Beratungsseite:
Silikone können dazu führen, dass die Haare sich weniger gut färben lassen. Manche Anwender haben zudem den Eindruck, dass Silikone ihr Haar ‚beschweren‘ und sich Produktrückstände im Haar ansammeln, die sich nur schwer wieder auswaschen lassen.
– Lavera Naturkosmetik, Lavera Beratungsseite
Diese filmbildende Eigenschaft ist der Grund, warum Silikone in der täglichen Pflege für feines Haar problematisch sein können. Doch genau diese Eigenschaft macht sie zu einem herausragenden Inhaltsstoff für Hitzeschutzprodukte. Wenn Sie ein Glätteisen oder einen Lockenstab mit Temperaturen von bis zu 220 °C verwenden, ist Ihr Hauptziel, das Haar vor irreversibler Denaturierung der Keratinproteine zu schützen. Silikone legen sich wie eine mikroskopisch feine, schützende Schicht um jedes einzelne Haar. Diese „Brandmauer“ hat zwei entscheidende Vorteile: Sie sorgt für eine gleichmäßigere Verteilung der Hitze und verlangsamt die Erhitzung. Dadurch wird verhindert, dass das im Haar eingeschlossene Wasser schlagartig verdampft und die Haarstruktur von innen heraus sprengt. Aus chemischer Sicht ist die kontrollierte Abdichtung hier also kein Nachteil, sondern der eigentliche Wirkmechanismus. Der Schlüssel liegt in der Balance: Ein silikonhaltiges Hitzeschutzspray gezielt bei Bedarf einsetzen und die Rückstände regelmäßig mit einem Tiefenreinigungs-Shampoo (siehe vorheriger Abschnitt) entfernen.
Der Sonntags-Reset: Eine wöchentliche Detox-Routine für stadtgestresstes Haar
Unabhängig davon, ob Sie sulfathaltige oder sulfatfreie Shampoos verwenden, profitiert Ihr Haar von einer wöchentlichen „Detox“-Routine. Feinstaub, Abgase und Rückstände von Stylingprodukten und hartem Wasser lagern sich im Laufe der Woche auf Haar und Kopfhaut ab. Ein wöchentlicher Reset hilft, diese Belastungen zu neutralisieren und die Kopfhaut wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Dies muss keine komplizierte Prozedur mit teuren Produkten sein; oft reichen einfache Hausmittel, um eine große Wirkung zu erzielen.
Ein zentraler Bestandteil einer solchen Routine ist eine sogenannte saure Rinse. Nach der Haarwäsche wird das Haar mit einer stark verdünnten Säurelösung gespült. Dies hat einen doppelten chemischen Effekt: Erstens neutralisiert es Kalkrückstände aus hartem Wasser. Zweitens glättet es die äußere Schuppenschicht (Cuticula) des Haares, die durch den leicht basischen pH-Wert von Wasser und vielen Shampoos aufgeraut wurde. Das Ergebnis ist sofort spürbar: Das Haar wird weicher, glänzender und leichter kämmbar. Eine Kopfhautmassage mit einem natürlichen Öl vor der Wäsche kann zudem die Durchblutung anregen und die Talgdrüsen beruhigen.
Anleitung für Ihre wöchentliche Haar-Detox-Kur
- Vorbereitung (Pre-Wash): Massieren Sie vor der Haarwäsche einige Tropfen eines leichten Öls (z.B. Jojoba- oder Arganöl) sanft in Ihre Kopfhaut ein. 5 Minuten einwirken lassen.
- Sanfte Reinigung: Waschen Sie Ihr Haar wie gewohnt mit einem für Sie passenden Shampoo. Konzentrieren Sie sich auf eine gründliche Massage der Kopfhaut.
- Saure Rinse anmischen: Mischen Sie einen Liter kühles Wasser mit ein bis zwei Esslöffeln Apfelessig oder Zitronensaft.
- Anwendung der Rinse: Gießen Sie die Mischung nach dem Ausspülen des Conditioners langsam über Kopfhaut und Haar. Nicht ausspülen! Der leichte Essiggeruch verfliegt beim Trocknen vollständig.
- Lufttrocknen lassen: Verzichten Sie an diesem Tag wenn möglich auf Föhnhitze und lassen Sie Ihr Haar an der Luft trocknen, um es maximal zu schonen.

Das Wichtigste in Kürze
- Die Wahl des Shampoos ist keine Frage von „gut“ oder „böse“, sondern eine Abwägung von Reinigungskraft und Schonung, basierend auf Ihrem individuellen Bedarf.
- Sulfatfreie Shampoos sind die wissenschaftlich fundierte Wahl bei empfindlicher Kopfhaut und zur Erhaltung von Haarfarbe, erfordern aber eine angepasste Anwendungstechnik.
- Die Wasserhärte in Deutschland ist ein entscheidender, oft unterschätzter Faktor, der die Notwendigkeit von gelegentlicher Tiefenreinigung mit sulfathaltigen Shampoos begründet.
Die Brandmauer für Ihr Haar: Warum Hitzeschutz keine Option, sondern eine Pflicht ist
Die vielleicht größte Sünde in der Haarpflege ist die Anwendung von Hitze ohne adäquaten Schutz. Temperaturen über 180 °C, wie sie bei Glätteisen und Lockenstäben üblich sind, verursachen eine irreversible Schädigung der Haarproteine (Keratin). Diese als Denaturierung bekannte Veränderung zerstört die innere Struktur des Haares, macht es spröde, brüchig und anfällig für Spliss. Dieser Schaden kann nicht repariert werden – er kann nur herauswachsen. Daher ist Hitzeschutz keine Option, sondern eine absolute Pflicht für jeden, der Styling-Tools verwendet.
Ein gutes Hitzeschutzprodukt, oft auf Silikonbasis, bildet eine thermische Barriere. Es sorgt dafür, dass die Hitze langsamer und gleichmäßiger in das Haar eindringt. Dies ist besonders wichtig in Gebieten mit hartem Wasser, wie es in vielen Teilen Deutschlands und Österreichs der Fall ist. Die Mineralablagerungen auf dem Haar können zu ungleichmäßigen „Hot Spots“ führen, an denen das Haar schneller verbrennt. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die Wasserhärte in einigen deutschen Großstädten und verdeutlicht, wie verbreitet dieses Problem ist.
Die Wasserhärte in deutschen Städten variiert erheblich, was einen direkten Einfluss auf die Haarpflege hat. Wie eine aktuelle Übersicht zeigt, ist hartes Wasser weit verbreitet.
| Stadt | Wasserhärte | Bewertung |
|---|---|---|
| Berlin | 14 °dH | Hart (Grenzwert) |
| Köln | >14 °dH | Hart |
| Karlsruhe | 18 °dH | Sehr hart |
| Hamburg | Variiert | Weich bis hart |
| Nürnberg | 14 °dH | Mittel bis hart |
Diese Daten unterstreichen, warum eine durchdachte Pflegeroutine, die sowohl sanfte tägliche Reinigung als auch gelegentliche Tiefenreinigung und konsequenten Hitzeschutz umfasst, für die langfristige Haargesundheit unerlässlich ist.
Jetzt, da Sie mit dem nötigen chemischen Wissen ausgestattet sind, können Sie die Sulfat-Frage für sich selbst beantworten. Es geht nicht darum, einem Trend zu folgen, sondern darum, die Bedürfnisse Ihres Haares und Ihrer Kopfhaut zu diagnostizieren und die passenden Werkzeuge auszuwählen. Beginnen Sie noch heute damit, Ihre Produkte nicht nur nach dem Marketing, sondern nach ihrer INCI-Liste zu beurteilen und Ihre Pflegeroutine an die Gegebenheiten, wie die Wasserhärte an Ihrem Wohnort, anzupassen.
Häufige Fragen zu milden Tensiden und Shampoos
Was sind Zuckertenside?
In sulfatfreien Shampoos werden oft zuckerbasierte Tenside als milde Waschrohstoffe eingesetzt. Man erkennt sie auf der Inhaltsstoffliste an Namensbestandteilen wie „Glucoside“ (z.B. Coco Glucoside, Decyl Glucoside). Sie werden aus pflanzlichen Fetten und Zucker hergestellt und gelten als besonders hautfreundlich und gut biologisch abbaubar.
Wie erkenne ich milde Tenside?
Neben den Zuckertensiden („Glucoside“) gibt es auch aminosäurebasierte Tenside, die als sehr mild gelten. Diese erkennen Sie an Wörtern wie „Glutamate“ (z.B. Disodium Cocoyl Glutamate) in der INCI-Liste. Ein genauer Blick auf die Inhaltsstoffe ist immer der beste Weg, die Milde eines Shampoos einzuschätzen.
Sind Kokostenside automatisch mild?
Nein, das ist ein verbreiteter Irrglaube. Der Begriff „Kokostensid“ ist unspezifisch. Während Coco Glucoside mild ist, ist Sodium Coco Sulfate (SCS) ein stark reinigendes Sulfat, das zwar aus Kokosöl gewonnen wird, in seiner Wirkung aber dem aggressiveren SLS ähnelt. Es kann ebenfalls hautreizend wirken und ist daher keine „milde“ Alternative im eigentlichen Sinne.